Es ist vor einer nicht zu langen Zeit bekanntgegeben worden, dass der Tod ein Meister aus Deutschland sei; das ganze ist ziemlich ueberzeugend dargelegt, und die Beweise, muss man sagen, sind beinah erstickend. Ich frag mich aber, wie der Tod es schafft, immer rechtzeitig ueberall zu sein. Ich meine zum Beispiel 1994 von Deutschland nach Rwanda, wo sich gerade Afrika mit Macheten abschlachtet - und dann noch an demselben Tag zurueck gen Heimat, wo sich ein Arzt anschickt, einer todkranken Alten den Lebenserhaltungsstecker zu ziehen, wo Asylantenheime brennen und die Justizbeamten es wieder mal vergessen haben, `nen Kinderficker wegzusperren. Dabei hab ich das ruhmreiche Kapitel Bosnien noch nicht einmal erwaehnt.
Oder zum Beispiel sagen wir: Sudan, da laeuft so eine junge Frau ueber den Wuestensand. Sie kommt aus dem Landessueden, eine Christin, schwarz, von einem muslimischen Sklavenhaendler aus ihrem Heim verschleppt, und ihre Haende sind an sein Kamel gefesselt. Die Kinder der verschleppten Frau laufen ihr hinterher, was sollen sie denn auch tun ohne die Mutter. Der Sklavenhaendler schleppt die Frau weiter, er braucht keine Kindersklaven, und die Kleinen verdursten einfach in der Wueste.
Oder zum Beispiel eins von diesen mehreren Oellaendern, wo sie ganz gerne davon reden, dass Selbstmordattentaeter direkt ins Paradies in Gottes Haende kommen wuerden, und hin und wieder - und seien wir mal wirklich ehrlich: sehr sehr oft - bilden sie solche Attentaeter aus. Da wird noch heute jede Frau umgebracht, die sich anschickt, gewisse Menschenrechte auszuueben, wie da waeren: Recht auf Freiheit und Streben nach Glueck. Uebrigens beides unveraeusserlich und gottgegeben. An solchen Orten ist sogar der Atem todgetraenkt; jeder Gedankengang der Maenner dort traegt seine Unterschrift.
Nun, vielleicht ist der Tod ja wirklich ein Meister aus Deutschland; die These aber, er sei ein nationalistisch Gesinnter, muss ich mit aller Deutlichkeit verneinen. Es ist zwar moeglich, dass der Tod hierzulande geboren worden ist, aber vom Lebenswandel her scheint er ein echter Kosmopolit zu sein. Er reist zum einen verdammt viel und scheint mit jedem Moerder, jedem Monster eine gemeinsame Sprache zu sprechen - ist dies vom Toleranzgedanken her zu toppen? Kriegt er vielleicht Vielfliegermeilen, der Tod? Von Lufthansa, die haben ja Erfahrung mit allerlei Todesgeschaeft. Zum anderen hab ich ja bereits gehoert, dass er privat ein nicht unnetter Herr gewesen sein soll, als er in seiner letzten Inkarnation unter den Lebenden geweilt - streng vegetarisch und der Liebe zum Haustier durchaus nicht fremd. Ich frag mich, ob der Tod nunmehr ein Gruener ist. Findet er auch Zeit zum Joggen? Faehrt Tod vielleicht neuerdings Fahrrad?
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All das gesagt: Ich kenne ihn, den Tod, ich hab ihn naemlich mal gesehen. Der war tatsaechlich eher gruen als braun, wenn auch die Unterschiede damals wohl etwas ernster aussahen. Er fuhr nicht Fahrrad und wuerde es auch nicht tun, wenn es schon Fahrraeder gegeben haette. So was ist einfach unsolide. Ein Deutscher war er nicht, hoechstens hatte er Deutschland ein- oder zweimal durchquert, vor zwanzig-dreissig Tausend Jahren. Und was die Augen vom Tod betrifft, waren sie kaum richtig blau. Sie waren eher hell. Obwohl `n gewisser Blaustich sich auch beobachten liess.
Ueberhaupt erinnerte er vom Gesicht her vielmehr an einen Euroasiaten, an ein geheimnisvolles Antlitz auf dem skythischen Metallschmuck. Haette ich glatte schwarze Haare und waer` duenn, so waere ich ihm ziemlich aehnlich. Man saehe sofort, dass ich und er, der Tod, ein und derselber Rasse angehoeren.
Es tut mir uebrigens nicht weh, davon zu sprechen. Er war damals bemerkenswert, der Tod. Ein wahrer Meister seines Weges. Zu jener Zeit war seit dem Suendenfall noch nicht so viel vergessen worden, und man wusste, dass nicht der Tod so problematisch war. Es war all das, was vorher kam.